von Dr.-Ing. Hans Laschefski – Teamleiter Innenbeleuchtung der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V., Bezirksgruppe Rheinland (erweiterte Fassung des Beitrags im VDE Transmitter Heft 1 / 2024)
Einmal jährlich findet in Kooperation zwischen der IHK Köln, dem VDE (Bezirk Köln) und der Lichttechnischen Gesellschaft Rheinland (LiTG Rheinland) eine Gemeinschaftsveranstaltung statt, die aktuelle technische Innovationen in der Lichttechnik zum Gegenstand hat. So auch am 31.08.2023 in Köln.
17:45 Uhr. Der Guilleaume Saal in der IHK Köln füllt sich langsam, und um 18 Uhr gab es fast keine freien Plätze mehr.
Diesmal sollte also das Thema Human Centric Lighting (HCL) diskutiert werden. Der Vortragende versprach, sowohl die geschichtlichen Hintergründe, also auch den Stand der aktuellen Standardisierung und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln.
Geschichtlicher Rückblick
Ein kleiner geschichtlicher Abriss zum Thema Chronobiologie war dann der Auftakt in die eigentliche Veranstaltung.
Von Langstreckenflügen wissen wir, vielleicht aus eigener Erfahrung, dass uns die Zeitverschiebung aus dem gewohnten Schlaf-Wach-Rhythmus bringt, aber nach einigen Tagen hat man sich an die „neue“ Zeitzone gewöhnt. Aber wie kann das sein, was hat dazu geführt, dass sich unser Körper auf die neue Zeitzone einstellt? Herr Laschefski erläuterte, dass die Forschung hierzu in Deutschland schon im Jahre 1962 begann. In sogenannten Bunkerexperimenten in Andechs – also durch den Ausschluss von Tageslicht - und ohne Uhren – konnte bestätigt werden, dass das Tageslicht der eigentliche Synchronisator unserer inneren Uhr ist. Jürgen Aschoff fand in seinen Experimenten heraus, dass, wenn Tageslicht fehlt, die Probanden also ihrem eigenen inneren Rhythmus folgen, der individuelle Tag häufig 25 Stunden lang ist und nicht 24 Stunden. Es käme also ohne Licht in Folge zu einer kontinuierlichen „Zeitverschiebung“, die durch Tageslicht korrigiert wird. Jürgen Aschoff darf mit seinen frühen Experimenten daher als Mitbegründer der Chronobiologie bezeichnet werde. Wie der eigentliche Wirkmechanismus zwischen Tageslicht und innerer Uhr jedoch funktioniert, blieb dem Experimentator bis zu seinem Tod im Jahr 1998 leider verborgen.
Zwei Wissenschaftler, Prof. Foster und Prof. Provencio, entdeckten um das Jahr 2000 herum lichtsensitive Zellen in den Augen von Mäusen, die bis dato übersehen wurden – sogenannte intrinsisch photosensitive retinale Ganglienzellen (ipRGC). Diese Zellen enthalten das Photopigment Melanopsin und reagieren im Wesentlichen auf bläuliches Licht. Diese Zellen findet man auch im menschlichen Auge und diese sind nicht etwa mit dem Sehzentrum im Gehirn verbunden, sondern direkt mit der Zirbeldrüse, dem Suprachiasmatischem Nucleus (SCN) und dem Hypothalamus, dem wohl wichtigsten Steuerzentrum des vegetativen Nervensystems. Das ist der lange unbekannte Wirkungspfad, wie Tageslicht in den Morgenstunden mit seinem bläulichen Licht unsere innere Uhr mit dem 24 Stunden Tagesrhythmus synchronisiert und unser Leben beeinflusst.
Standards – von gestern bis heute
Das Deutsche Institut für Normung in Berlin war dann auch das erste Normungsgremium, das sich dem Thema annahm und den Stand der wissenschaftlichen Forschung in der DIN Spec 5031-100 im Jahr 2009 dokumentierte. Gefolgt wurde diese dann von einer Auslegungsempfehlung für Beleuchtungsanlagen (DIN SPEC 67600) im Jahr 2013.
Die altehrwürdige Internationale Beleuchtungskommission (CIE) mit Sitz in Wien sah sich 2018 in Folge motiviert, die CIE S 026 zu publizieren. Diese ging jedoch einen kleinen Schritt weiter, definiert sie doch alle lichtempfindlichen Zellen im Auge als Beteiligte an diesem Synchronisationsprozess – auch wenn man den wesentlichen Einfluss der ipRGCs betont und glaubt, verstanden zu haben. DIN und CIE nutzen die identische SI-Einheit MEDI (Melanopisch äquivalente Tageslicht (D65) Beleuchtungsstärke, aus dem Englischen: Melanopic Equivalent Daylight Illuminance), um den Effekt zu beschreiben.
2019 wurde dann in den USA die UL Design Guideline 24480 publiziert, die einen Versuch unternommen hat, alle lichtempfindlichen Zellen und den Zusammenhang im Gehirn zu modellieren. Die resultierende Metrik – der sogenannte Circadiane Stimulus (CS) – basiert nicht auf dem SI-System und findet derzeit hier in Europa nahezu keine Beachtung. Das Ergebnis hinsichtlich einer Beleuchtungsanlage ist jedoch nahezu identisch.
Die Problematik
Nun stellt sich die Frage, ob fehlende Synchronisation mit dem natürlichen 24h Tagesrhythmus ein ernsthaftes Problem darstellt – und das ist so. Grundsätzlich führt es zunächst einmal zu einer Verschlechterung der Schlafqualität. In deren Folge kommt es zu Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhten Fehlerquoten, ggf. Unfällen und das dauerhafte Anhalten der Situation stuft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogar als erhöhtes Krebsrisiko ein. Eigentlich sollten wir also vormittags mal genug Tageslicht tanken und die Sache wäre erledigt, aber in unserer Gesellschaft hält man sich nun mal vorwiegend in Gebäuden auf und dort ist das Beleuchtungsniveau ist ca. 20- bis 200-mal geringer als in der freien Natur.
Der Ausweg
Eine Beleuchtungsanlage, die die Synchronisation mit dem natürlichen Tagesrhythmus unterstützt. Die Technische Spezifikation DIN /TS 67600 liefert eine Anleitung dazu. Da das bläuliche Licht den Effekt auslöst, sollte im Vergleich zum Tageslicht, im Laufe des Vormittags hiervon ausreichend vorhanden sein. Was morgens für uns gut ist, ist abends jedoch schlecht. Das bläuliche Licht führt zur Unterdrückung des abendlichen für den Schlaf erforderlichen Melatonin-Aufbaus und sollte daher ca. 3 Stunden vor dem zu Bett gehen vermieden werden. Warme Lichtfarben (≤ 2700K) haben definitiv einen geringen Blaulichtanteil und sind daher zu diesem Zeitpunkt zu bevorzugen. Alternativ, wenn es sich nicht um einen Arbeitsplatz handelt, können auch sehr geringe Beleuchtungsstärken in den Abendstunden gewählt werden.
Offene Punkte
Nachtschichtarbeit und deren Beleuchtung ist wohl aktuell mit das schwierigste Thema von allen. Hierzu findet man auch in den angesprochenen Regelwerken „nur“ allgemeine Aussagen. Mehr Forschung ist wohl dringend angebracht. Mit bläulich angereichertem Licht die Konzentration zu fördern, ist machbar, führt aber definitiv zu einer schlechteren Schlafqualität und dessen o.a. Folgen. Mal schauen, was die nächsten Jahre so bringen.
Fazit
Spannend war´s. Niemand ging, obwohl der Vortragende 30 Minuten überzogen hat – oder war es das Kölsch und die Brezel, die die Zuhörer zum Bleiben veranlasst hat? Wohl kaum, denn die angeregte Diskussion im Anschluss an den Vortrag in gelöster Atmosphäre ließ anderes vermuten. Insgesamt war es eine runde Sache und wir freuen uns schon auf die nächste Veranstaltung – vielleicht mal zum Thema „Matter“ einem neuen Kommunikationsprotokoll zur Gebäudesteuerung – vielleicht zum Steuern einer HCL-Beleuchtungsanlage.
Dr.-Ing. Hans Laschefski